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Klaaf und Tratsch - auf kölsche Art

So lautet das Motto des diesjährigen Rosenmontagszuges, der am 3. März 2003 um 11 vor 11 Uhr pünktlich an der Severinstorburg starten wird. In drei Abteilungen wird der närrische Lindwurm durch die Kölner Innenstadt ziehen. Der Zoch besteht aus 44 Gruppen mit 100 Fest-, Prunk-, Persiflagewagen und Kutschen, 78 Traktoren, 72 Bagagewagen (davon 50 kaschierte FORD Transit) sowie 129 Musikkapellen.

Als am Karnevalsdienstag des vergangenen Jahres das Motto des Rosenmontagszuges 2003 in der Bastei präsentiert wurde, ahnte eigentlich niemand, was sich wenig später in Köln, in Deutschland und über die Bundesgrenze hinweg so alles ereignen sollte. Vielleicht ist aber auch Köln eine Stadt, wo Klaaf und Tratsch auf eine wohl nicht vergleichbare Art der Kommunikation liebevoll gepflegt wird. Auch in diesem Jahr werden wir wieder besondere Ereignisse des letzten Jahres kritisch, schmunzelnd oder frech persiflieren. Schwächen der Wahrheit aufzuzeigen bedeutet aber nicht, dabei zu verletzen.

Wie heißt es noch in einem Lied von Willi Ostermann - "Die hinger de Jardinge stonn uns spinkse". Schon einmal hat uns vor einigen hundert Jahren eine sehr neugierige Dame durch ihr Jardinge stonn und spinkse die Heinzelmännchen vertrieben, was wir Kölner noch heute außerordentlich bedauern. Sie war aber eigentlich nur neugierig. Viel schlimmer sind dagegen Menschen, die alles nur zerreden, über jeden sprechen, der gerade nicht dabei ist. Am liebsten beim Frisör - wo den tuschelnden Protagonisten vom vielen "Schwaade un Klaafe" bereits "Hoore op dr Zung" wachsen.

Wurde bislang nur vom Klüngeln in dieser Stadt gesprochen, so musste man zwischenzeitlich feststellen, dass Palermo tatsächlich am Rhein liegen könnte. Zwar tragen die Leute nicht immer einen dicken Schnäuzer, tarnen sich auch nicht unbedingt mit einer Sonnenbrille und einem Schlapphut - aber ... aber ... man weiß ja nie. Jedenfalls reichen die Arme unseres "Don Colonia" tatsächlich bis in den Klingelpütz, wo hinter dem Rücken mal eben einige Tausdener für die Haftentlassung eines Ertappten gezahlt werden.

Ganz anders sind da drei Ex-Genossen, die im Rahmen der SPD-Schmiergeld-Affäre in Ungnade ihrer Partei gefallen sind und nun dem Petrus vorm Himmelspözje beteuern: "Ävver mer han et doch nur für Kölle jedon". Der lässt sich nicht erweichen, weist das Trio barsch an der Pforte ab, die ohnehin durch ein übergroßes SPD-Vorhängeschloss unüberwindbar scheint.

Ob Ratsmitglieder, Verwaltungsfachleute oder janz normale Lück - viele die zum Rathaus gelangen möchten, müssen den Weg über den Heumarkt, vorbei an einem denkwürdig gestützten Reiterdenkmal, wählen. Leider hat sich aber der neugestaltete und neugepflasterte Platz zu einer Stolperfalle - nicht nur für Stöckelschuhe - entwickelt. Das Ganze könnte man als "Heumaat-Klüngel" bezeichnen, über den seit Monaten reichlich getratscht wird, wer "dat Pflasterspill" letztlich bezahlen soll. Hat da vielleicht der "städtische Tünnes" dem "überforderten Schäl" einen dicken Auftrag zugeschanzt?

Unser geschätzter Herr Oberbürgermeister Fritz Schramma macht die Klärung wahrscheinlich zur Chefsache. Verbindlich-verbindend, wie er nun einmal ist, will er auch gleich noch eine neue Brücke über den Rhein schlagen. Angesichts des städtischen Haushaltslochs, leerer Landes- und Bundeskassen wird alles nur ein Traum unseres OBs bleiben. Obwohl es für die Schäl Sick sicherlich eine gute Sache wäre.

Nicht zuletzt für die KölnArena, wo die Haie bekanntlich Deutscher Meister wurden. Der abgestiegene Geißbock, den der kölsche Haifisch bereits im Maul hat und am liebsten ganz fressen würde, schnuppert angesichts sportlicher Erfolge schon wieder Höhenluft. So ist das im "Kölschen Tierleben - Fresse un jefresse wäde".

Ein paar Kilometer von der KölnArena liegt der neu gestaltete Flughafen Köln-Wahn. Vorbei die Zeiten, wo sich Ottonormalverbraucher einem fliegenden Teppich anvertrauen mußte. Heute kann jeder in Top-Maschinen zu erschwinglichen Preisen in Europas Metropolen jetten. "Wahn - lässt billig einen fliegen" - auch wenn tausende Anwohner jetzt noch stärker vom Fluglärm gebeutelt werden.

Zum Fliegen braucht man aber Nüsele (Geld). Die versucht jedoch unser alter und neuer Finanzminister mit allen erlaubten und auch unerlaubten Tricks dem deutschen Michel herauszupressen. Hans Eichel dreht weiter an der Spar- und Steuerschraube, dass man sich schon fragen muss: "Wer hat an dem Ding gedreht?"

Eichel darf also weitersparen. Denn bei der letzten Bundestagswahl blieb sein Chef Gerhard Schröder am Ruder, der sich vom "Kapitän" schon zu einem "Käpt´n Hook" entwickelte. Mit einem Unterschied: Im Gegensatz zum Piratenboss bei Peter Pan war er mit seinen Versprechungen, Verlockungen und seinem Klaaf erfolgreich. Man könnte glatt den Höhner-Song "Ich ben ene Räuber" anstimmen.

Foto: Andreas Klein

Schröder hat es noch einmal geschafft und sofort seinen Männerfreund Joschka Fischer angerufen, um "noch en Ründchen zu drehen". So ganz wohl ist den beiden nicht, fahren mit zugekniffenen Augen des bundesdeutschen Defizitwagen, an dem ein rot-grüner Wohnwagen hängt, aus dem der arme deutsche Michel mit Schweiß auf der Stirn hinausschaut. Andere Insassen trauen sich dagegen überhaupt nicht den Kopf rauszustrecken, beobachten mit weit aufgerissen Augen die mehr als wackelige Fahrt. Übrigens: Ein Augenpaar soll angeblich dem untergetauchten Herrn Hartz gehören.


Ein genialer Schachzug von "Käpt‘n Hook" Schröder war die Schaffung sogenannter Superministerien. Eines bekam bekanntlich der ehemalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement. Während Schröder und sein Spezi Münterfering die Berufung super finden, glauben andere, dass Clement die "Arbeit"- und "Wirtschaft"-Schuhe doch wohl eher zu groß sind.

Darf man den Wählerunifragen glauben, dann ist der Bundesbürger inzwischen der Meinung, dass er sich am 22. September 2002 eher verwählt hat. In Köln gabs zur Bundestagswahl sogenannte Wahlhäuschen, wo nur per Tastendruck die Stimme abgegeben werden musste. Es hatte tatsächlich vieles mit einem Telefonhäuschen gemein. Erst durfte man wählen, dann musste man zahlen.

Kommen wir nun zur unserer zweiten Superministerin im Schröder‘schen Kabinett:
Ulla Schmidt befasst sich mit Gesundheit und Alter. Unschwer zu erkennen ist dabei, dass sich unser Gesundheitswesen bereits ganz zu einem Geier entwickelt hat, der dem Patienten kaum noch Luft zu atmen lässt. Bleibt zu hoffen, dass er weiterhin gut versorgt wird und - wenn er es gesund erlebt - auch noch seine Rente in voller Höhe bekommt. Zweifel sind angebracht - "Wer soll das bezahlen?"

Und was macht die Opposition? Der CDU/CSU-Kanzlerkandidat sitzt wieder in der bayrischen Staatskanzlei und gesteht angesichts der schlechten Nachrichten und Zahlen seinem "Ziehvater" Franz-Josef Strauß am Telefon: "Ich bin heilfroh, dass ich nicht in Berlin regieren muss!" Und der rät, als Engel Antonius auf einer Wolke sitzend, seinem "Ziehsohn": "Bedank dich bei den Ossis und der FDP."

Bei der CDU hat währenddessen eine Frau jetzt das Heft in die Hand genommen. Sie hat längst alle "Argumentationshilfen" (Florett, Säbel, Boxhandschuhe, Holzhammer) an die Wand genagelt. Angela Merkel steht auch nicht hinger de Jardinge und tratscht. Sie redet Tacheless, macht so manchem Unionspolitiker das politische Leben schwer. Kohl, Schäuble und Merz hat die "eiserne Lady" so sogar schon richtig "zur Schnecke gemacht".

Wir Deutschen sind ja stolz darauf, große Dichter vorzeigen zu können. Ein neuer Schriftsteller ist derzeit zwar nicht in Sicht, es gibt aber ein "Werk", dass mit weit mehr als einer halben Million Auflage tatsächlich Rekorde bricht. Was müssen das für interessante Geschichten mit Verona oder Naddel sein, über die Dieter Bohlen zu berichten weiß. Den kleinen Sex-Betriebsunfall lässt sich der "Modern Talker" aber lieber von "Mutter Colonia" als Krankenschwester pflegen. Derweil stöhnt Goethe nur noch im Hintergrund: "Was ist nur aus der deutschen Literatur geworden".

Angesichts solch "literarischer Werke" wundert es einen auch nicht mehr, dass viele Menschen am helllichten Tage vor der Glotze hängen und sich eine Talkshow nach der anderen reinziehen, dabei genüsslich beobachten, wie bezahlte Akteure ihren dümmlichen Seelen-Striptease vor der Kamera abziehen. Hauptsache Quote und Marktanteil stimmen.

Wer fragt denn heute noch nach "Pisa". Junge Leute halten dieses schiefstehende Gebäude ja bereits für den Eifelturm, finden es krass gut, dass der auch noch in London steht. Albert Einstein würde sich vemutlich im Grabe umdrehen.

Vielleicht sind manche Jugendliche auch nur zu verwöhnt, nicht richtig erzogen worden. Das "Leben kann ja so schön bequem" sein im "Hotel Mama" - natürlich all inklusive. Man hat alles - Laptop, Handy, Internet. Der Kühlschrank ist immer gefüllt. Die Mam´ erledigt alles und - et koss nix.

Jugendliche klaafen natürlich auch und können sich eines Schmunzelns über ihre Väter nicht erwehren. Ein Beispiel: Die Rentenversorgung ihrer Altvorderen. Was hatten die davon, ihre Vorsorge in Aktien anzulegen - in aufstrebende Internet-Firmen, in New Economy. Zum Schluss waren nicht nur die Börsianer, sondern auch gleich noch deren Bücher gut frisiert. Vielleicht hätten sich die weisen Väter besser mal bei der Mama erkundigt, statt auf Analysten zu hören.

Aber nicht nur an der Börse träumten Analysten und Anleger immer von mindestens 18 Prozent Rendite. Möllemann träumte es auch für seine FDP. Nun entwickelt er sich eher zu einer tickenden Zeitbombe für seine Partei und kegelt schon mal kräftig die Parteispitze durcheinander. Wir dürfen gespannt sein, welcher Kegel fallen wird oder stehen bleibt. Auf jeden Fall: "Mölli räumt ab".

Foto: Andreas Klein

Diese Entwicklung hätte eigentlich Anfang letzten Jahres niemand für möglich gehalten. Ähnlich, aber im positiven Sinne, war es beim Fußball. Was wurde da im Vorfeld der Weltmeisterschaft negativ über unsere bundesdeutschen Kicker getratscht. An allen Theken der Nation formierten sich Scharen selbsternannter Bundestrainer. Kein gutes Haar bzw. keine gute Locke wurde an Rudi Völler gelassen. Und dann musste sich schließlich jeder fragen: "Wä hät dat vun di Tant jedaach?" - Vize-Weltmeister. Heimlich still und leise hatte sich "Tante Käthe" nach hauseigenem Erfolgsrezept eine richtige Mannschaft gebacken. Beinah wäre ihm auch noch der Pokal gelungen - den Teig hatte Völler schon angerührt. Da kann man mal sehen, welchen Unsinn Tratsch un Klaaf hervorbringen kann.

Die Weltmeisterschaft fand bekanntlich in Südkorea und Japan statt wo schon mal ein Klimagipfel stattgefunden hat. Es steht dem Narren nicht zu, darüber zu urteilen, wann, wie und was geändert werden müsste. Aber es ist die Aufgabe des Narren Denkanstöße zu geben, da im Kölner Karneval viele jugendliche Gruppen, viele junge Menschen mitmachen, die Fragen nach ihrer Zukunft stellen.

Ein Baby wurde übrigens gerade erst ein Jahr alt - der Euro. Das Euro-Baby muss übrigens 12 Monate nach seiner Geburt immer noch feststellen: "Keiner hat mich richtig lieb". Aus gutem Grund: Viele machten den Euro zum Teuro, die es aber heute sehr bereuen. Noch immer rechnen die meisten Bundesbürger in D-Mark, um festzustellen, was teuer und preiswert ist. Aber warten wir einmal ab. Kleinkinder fangen bekanntlich erst in Alter von 2 Jahren an mit den Eltern so richtig zu kommunizieren. Vielleicht feiern wird den 2. Geburtstag unseres Euro-Babys schon sehr viel fröhlicher.

Klaaf und Tratsch war das Motto des Rosenmontagszuges. Einige dieser Themen haben wir auf unseren großen Persiflagewagen umgesetzt. Manche brisante Themen haben wir bewusst ausgelassen. Wir wollten nicht alles "durch de Zäng trecke" und und durch Klaaf und Tratsch aus kleinen Mücken große Elefanten machen. Wir wünschen uns einfach nur, dass am 3. März 2003 ein fröhlicher Zug durch Köln fährt, bei hoffentlich strahlendem Sonnenschein, mit gut gelaunten Menschen am Zugweg.

Text: Alexander von Chiari, Zugleiter des Festkomitee Kölner Karneval von 1823 e. V.